Sozialgericht Dortmund 26.03.2015S 53 AL 256/13
Unser Kunde Rechtsanwalt Bendikt Bilstein aus Lippstadt, hat vor dem Sozialgericht Dortmund einen zweijährigen Kampf um den Gründungszuschuss gewonnen.
Die 53. Kammer des Sozialgerichts Dortmund stellte in der mündlichen Verhandlung fest:
"Nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage weist der Vorsitzende darauf hin, dass die Ablehnung des Gründungszuschusses an erheblichen Ermessensfehlern leiden dürfte.
Die Kammer hat schon Zweifel daran, ob das Ermessen überhaupt ausgeübt worden war. Denn Vieles spricht dafür, dass die Entscheidung, die Leistung abzulehnen, schon im Vorfeld feststand, ohne dass man sich mit den Umständen des Einzelfalls auseinander gesetzt hätte.
Es ist nicht erkennbar, dass man tatsächlich Festellungen getroffen hat, wie viele Stellen dem Kläger und seinen subjektiven Fähigkeiten zur Verfügung standen bzw. wie viele Mitbewerber es auf diese Stellen noch gab."
Im Klartext: Die Agentur für Arbeit Meschede-Soest, die nach unseren Erfahrungen den Gründungszuschuss nur sehr restriktiv vergibt, hat nach Meinung des Gerichts einfach abgelehnt, ohne sich vorher die Mühe zu machen, den Sachverhalt auch nur zu prüfen. Leider sind solche Willkürentscheidungen bundesweit keine Einzelfälle.
Nach dieser schallenden Ohrfeige durch das Gericht ruderte die Agentur für Arbeit zurück und schloss kleinlaut einen Vergleich: Bendikt Bilstein erhielt den Gründungszuschuss, herzlichen Glückwunsch.
LSG Nordrhein-Westfalen · Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13
Zur Ermessensausübung hinsichtlich der Bewilligung eines Gründungszuschusses weiterlesen.
SG Mannheim Urteil vom 23.8.2012, S 14 AL 2139/12
Leitsätze
- Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 Abs. 1 SGB III vor und legt sich die Behörde in einer Eingliederungsvereinbarung auf einen Beruf als Eingliederungsziel fest, der typischerweise selbständig ausgeübt wird, reduziert sich ihr Entschließungsermessen regelmäßig auf Null.
- Einem Versicherten, der eine Ausbildung zum Golflehrer absolviert hat, die nicht unter das Berufsbildungsgesetz fällt, ist eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu Beginn des Alg-Bezugs unzumutbar (§ 140 SGB III).
- Die weitere Rechtsverfolgung einer Behörde ist dann missbräuchlich im Sinne des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG, wenn ihr (vor)prozessuales Verhalten einzig und allein auf die Ablehnung einer Sozialleistung gerichtet ist, ohne den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen.
SG Karlsruhe Urteil vom 17. Januar 2013 Az. S 16 AL 949/12
Das Inaussichtstellen eines Gründungszuschusses per E-Mail, das die Voraussetzungen einer Zusicherung zwar nicht erfüllt, beim Antragsteller aber gleichwohl ein berechtigtes Vertrauen in die Fördervoraussetzungen begründet, kann das Entschließungsermessen auf Null reduzieren. Ändern sich die gesetzlichen Voraussetzungen, ist die Agentur für Arbeit in einem solchen Fall in der Pflicht, den Antragsteller zu informieren, so dass er sein Verhalten danach ausrichten und zulässige Gestaltungsmöglichkeiten wahrnehmen kann (hier: Gesetzesänderung zum 01.01.2012).
Das Bundessozialgericht zur Auslegung der 150 Tage Frist BSG: B11 AL 11/09 R, 5.5.2010
Der Auffassung des LSG, ein Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III müsse noch am Tag vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bestehen, ist der Senat nicht gefolgt. Nach Sinn und Zweck des § 57 SGB III sowie unter Berücksichtigung der Rechtsentwicklung kann vielmehr ein Anspruch auf einen Gründungszuschuss schon dann bestehen, wenn der Arbeitslose in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit die Anspruchsvoraussetzungen für eine Entgeltersatzleistung erfüllt. Ein solcher enger zeitlicher Zusammenhang ist gewahrt, wenn zwischen dem Bestehen eines Anspruchs auf die Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht mehr als etwa ein Monat liegen. Dies ist beim Kläger der Fall, da er am 1.10.2006 Alg bezogen und spätestens am 12.10.2006 die selbständige Tätigkeit aufgenommen hat.
SG Karlsruhe Urteil vom 19. Juli 2012 Rückforderung GründungszuschussAz. S 16 AL 1081/11
SG Trier Urteil vom 01.02.2013
Az. S 1 AL 80/12
Falsche Entscheidung der Arbeitsagentur bei geringer Anzahl freier Stellen
- Bei der Entscheidung über die Bewilligung eines Gründungszuschusses darf die Agentur für Arbeit im Rahmen ihres Ermessens der Vermittlung in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis Vorrang vor der Förderung einer selbständigen Existenzgründung einräumen.
- Die Ermessensausübung ist dann ermessensfehlerhaft, wenn die Anzahl der aktuell freien Stellen im bisherigen Beruf des Arbeitslosen im Tagespendelbereich gering ist.
- Stellenangebote als Filialleiter in anderen Branchen als der, in der der Arbeitslose bisher gearbeitet hat, rechtfertigen im Rahmen pflichtgemäßer Ermessenausübung nicht die Ablehnung der Gewährung eines Gründungszuschusses.
Bundessozialgericht Urteil vom 6. Dezember 2007 B14/7b AS 16/06 R:
Anrechnung des Gründungszuschuss auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV).
SG Gießen Urteil S 14 AL 6/13 vom 29.04.2015: Kein Gründungszuschuss bei zu hoher Abfindung
Ein Arbeitsloser, der sich selbständig machen will, kann hierfür einen Gründungszuschuss der Arbeitsagentur erhalten. Dieser Zuschuss wird zunächst für 6 Monate in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes zuzüglich 300 Euro pro Monat gezahlt und kann für weitere 9 Monate verlängert werden. Er setzt u.a. voraus, dass der Arbeitslose die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist, dies durch eine fachkundige Stelle bestätigt wird und der Arbeitslose über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit verfügt.
Gründungszuschuss ist Ermessensleistung
Allerdings steht der Zuschuss im Ermessen der Arbeitsagentur, d.h. die Agentur kann, muss aber nicht leisten.
Hieran ist ein 59 Jahre alter Mann aus der Wetterau mit seiner Klage vor dem Sozialgericht Gießen gescheitert.
Vor seiner Arbeitslosigkeit hatte der Mann mehr als 30 Jahre bei einem großen mittelhessischen Heiztechnikunternehmen gearbeitet. Aufgrund einer Verlagerung des Betriebes wurde das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von etwas mehr als 170 000 Euro brutto (rund 130 000 Euro netto) aufgelöst.
Er bezog zunächst Arbeitslosengeld und stellte dann einen Antrag auf einen Gründungszuschuss für die Errichtung einer GmbH & Co. KG zusammen mit einem Partner. Geschäftsidee war der Verkauf und die Reparatur heiztechnischer Austauschteile.
Das Gewerbe wurde dann auch angemeldet. Die Firma besteht noch.
Abfindung muss reichen
Die Agentur für Arbeit Gießen lehnte den Antrag ab und begründete dies damit, der zuvor Arbeitslose verfüge aufgrund seiner Abfindung über genügend finanzielle Ressourcen, um das Gründungsvorhaben selbst zu finanzieren.
Im Klageverfahren bezog der Kläger sich auf eine Aufstellung zur Vermögenslage, aus der u.a. hervorgeht, dass er mit der gezahlten Abfindung mehrere Kredite abgelöst hatte.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Überbrückungsgeld verfolge den Zweck, den Lebensunterhalt in der ersten Zeit nach der Existenzgründung zu sichern. Der Lebensunterhalt sei aber hier durch die gezahlte Abfindung gesichert gewesen. Der Gründungszuschuss diene nicht dazu, einem Antragsteller die Ablösung von Darlehen zu ermöglichen. Die Ermessenentscheidung der Agentur für Arbeit sei daher nicht zu beanstanden, zumal diese auch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten habe.